Nach einer Gelenkprothese stehen viele von Ihnen vor derselben Frage: Wie baue ich die Belastung realistisch und sicher wieder auf – ohne Angst vor Schäden, aber auch ohne zu lange Schonung, die Muskeln und Mobilität kostet? Aus eigener Recherche und aus Gesprächen mit Physiotherapeutinnen, Orthopäden und Patientinnen habe ich einen praktikablen 6‑Wochen‑Plan für zuhause zusammengestellt, der sich an gängigen Reha‑Empfehlungen orientiert und Platz für individuelle Anpassungen lässt.
Meine Grundprinzipien für den Belastungsaufbau
Bevor ich in den Wochenplan einsteige, möchte ich die Prinzipien nennen, die meinen Vorschlag leiten:
Schrittweise Steigerung: Kleine, messbare Fortschritte statt harter Sprünge.Schmerz als Leitlinie: Leichter bis mäßiger Belastungsschmerz ist oft erlaubt; starke Schmerzen oder ziehender Dauerschmerz sind Warnzeichen.Funktion vor Zeit: Ich orientiere mich an Fähigkeiten (Treppensteigen, längeres Gehen) mehr als nur an Tagen nach der OP.Alltagstauglichkeit: Übungen sind so gewählt, dass Sie sie ohne teure Geräte zuhause machen können – Rollator oder Gehstock sind in den ersten Wochen oft hilfreich.Rücksprache halten: Bei Unsicherheiten: Kontakt zur operierenden Klinik, Orthopäden oder Physiotherapie suchen.Vor dem Start: was Sie vorbereiten sollten
Bereiten Sie zuhause eine kleine „Reha‑Ecke“ vor: rutschfeste Matte, stabile Stuhl mit Armlehnen, zwei Kissen, elastisches Theraband (z. B. von TheraBand), eine kleine Wasserflasche zur Hydration und ein Notizbuch, um Belastungsfortschritte und Schmerzen zu dokumentieren.
Wichtig ist außerdem das passende Hilfsmittel: Gehstützen oder Rollator nach Anweisung. Viele Patienten nutzen in Woche 1–2 weiterhin zwei Gehstützen oder einen Rollator, wechseln dann zu einer Gehstütze und später zu keinem Hilfsmittel, wenn das Gleichgewicht und die Kraft es erlauben.
Woche 1 (Tage 1–7): Mobilisation & Schmerzmanagement
Ziel: Schwellung reduzieren, Grundmobilität wiedererlangen, betont schmerzgerechtes Bewegen.
Tägliche Mobilisation: 4–6 Mal täglich 5–10 Minuten sanfte Bewegungsübungen im Sitzen/liegen (Ankle pumps, Fußkreisen, leichte isometrische Quadriceps‑Kontraktionen).Gehen: Kurze Strecken im Haus, 5–10 Minuten mehrmals am Tag mit Gehstützen; Ziel sind 100–500 Schritte je nach Wohlbefinden.Therapietipp: Eisanwendungen (10–15 Minuten) gegen Schwellung, nicht direkt auf Wunde, und Kompressionsstrümpfe falls empfohlen.Schmerzskala: Bei Ruheschmerz >4/10 oder zunehmender nächtlicher Ruheschmerz Rücksprache mit Arzt.Woche 2 (Tage 8–14): Aufbau von Kraft & Gleichgewicht
Ziel: Mehr Gehstrecke, Basisstabilität und erste Kraftsteigerung.
Gehen: 10–20 Minuten 2–3x täglich, ggf. draußen auf ebenem Untergrund. Schrittzahl langsam erhöhen.Kraftübungen täglich (20–30 Minuten): Sit‑to‑Stand vom Stuhl (3×10 Wiederholungen, Arme nur zur Unterstützung), Hüftabduktion liegend (3×12 mit Theraband), Fersen‑/Zehenheben (3×15).Gleichgewichtsübungen: Einbeinstand an Stuhllehne 3×20–30 Sekunden je Seite, wenn möglich.Schmerz/Schwellung: Weiterhin beobachten; bei Zunahme Schwellung mehr Ruhe, Hochlagern & Eis.Woche 3 (Tage 15–21): Belastung steigern & Alltag integrieren
Ziel: Treppen bewältigen, längere Strecken, Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) wieder aufnehmen.
Gehen: 20–30 Minuten 1–2x täglich; Ziel ist eine kontinuierliche Belastung von 30 Minuten.Treppen: Erst mit Handlauf und langsam – ein Bein pro Stufe (oder nach OP‑Anweisung). Üben Sie 1–2 Mal täglich 5–10 Treppenstufen.Krafttraining intensivieren: Kniebeugen bis Stuhlhöhe, Beinpresse‑ähnliche Bewegungen (mit Theraband), Seitlage‑Hüftheber 3×15.Alltagsaufgaben: Leichte Hausarbeiten (Geschirr einräumen, kurze Einkäufe) in kleinen Einheiten ohne Erschöpfung.Woche 4 (Tage 22–28): Ausdauer & Funktion
Ziel: Stabiler, längerer Gehabschnitt und koordinative Verbesserung.
Gehen: 30–45 Minuten täglich, ggf. aufgeteilt; wenn möglich Tempo leicht erhöhen (schnelles Gehen für kurze Intervalle von 1–2 Minuten).Stufen / Terrain: Unebenheiten üben (Rasen, Gehweg), um Propriozeption zu trainieren.Kraft & Koordination: Einbeinige Kniebeuge an Stuhl, Treppensteigen ohne Handlauf (falls sicher), Balance‑Übungen mit Augen offen/geschlossen.Fitnessgeräte: Falls zugänglich, Ergometer (leicht) oder Crosstrainer für 10–20 Minuten können hilfreich sein.Woche 5 (Tage 29–35): Alltagsbelastung erhöhen
Ziel: Rückkehr zu längeren Alltagsaktivitäten, Vorbereitung auf unabhängiges Gehen ohne Hilfsmittel.
Gehen: 45–60 Minuten täglich möglich; längere Spaziergänge einplanen.Treppe & Berg: Mehrmals tägliche Trainingseinheiten mit zunehmender Höhe oder Stufenanzahl.Krafttraining: Funktionelle Übungen wie Ausfallschritt (falls schmerzfrei), Treppensteigen mit Last (leichte Tasche) zur Gewöhnung.Autonomie: Einkäufe allein, Auto ein- und aussteigen üben; achten Sie auf Körperhaltung und Schonung.Woche 6 (Tage 36–42): Rückkehr zu Aktivitäten & Langzeitplanung
Ziel: Eigenständige Mobilität und Vorbereitung auf sportlichere oder berufliche Belastungen.
Gehen & Stehen: Vollständige Belastung in Alltag und Arbeit anstreben – Pausen einplanen.Sportliche Aktivitäten: Beginn mit gelenkschonenden Sportarten wie Radfahren, Schwimmen oder Nordic Walking; Joggen erst nach Freigabe durch Arzt (meist später).Weiteres Training: 2–3 Kraft‑/Balanceeinheiten pro Woche beibehalten, um Rückfällen vorzubeugen.Langfristige Hilfsmittel: Gute Schuhe, Einlagen bei Bedarf, ggf. weiterhin Thermotherapie oder gezielte Physiotherapie für Feinsteuerung.Typische Fragen, die ich oft höre
„Wie merke ich, dass ich zu viel mache?“ – Wenn Schmerzen stark zunehmen (mehr als 4–5/10), Schwellung deutlich größer wird oder Sie nachts nicht schlafen können, reduzieren Sie die Belastung und kontaktieren Sie Ihre Therapeutin oder den Arzt.
„Wann kann ich Autofahren?“ – Meist zwischen 2–6 Wochen, abhängig vom Gelenk (Hüfte vs. Knie), Reaktionsfähigkeit, Schmerzfreiheit und ob Sie bequem ein- und aussteigen können. Lassen Sie sich individuell freigeben.
„Welche Hilfsmittel sind sinnvoll?“ – Rollator, Gehstock, Theraband, rutschfeste Schuhe. Marken wie TheraBand für Widerstandsbänder oder TENA für Wundschutzprodukte sind oft empfehlenswert, wenn spezifisch indiziert.
Wie ich Fortschritt messe
Ich empfehle, ein kleines Tagebuch zu führen: tägliche Gehzeit, Schmerzlevel (Skala 0–10), Schwellung, und eine kurze Notiz zu Aktivitäten. So sehen Sie konkrete Verbesserungen – und wissen, wann Sie eine Pause brauchen oder die Belastung erhöhen können.
Wenn Sie möchten, stelle ich gern eine druckbare Checkliste oder einen Wochenplan zum Ausdrucken zusammen, den Sie zuhause nutzen können. Schreiben Sie mir Ihre Fragen oder berichten Sie von Ihren Erfahrungen – Austausch hilft oft mehr als jede Anleitung.