Nach einer Gelenkoperation fragen mich viele Leserinnen und Leser: „Soll ich besser Kälte oder Wärme anwenden?“ Diese Frage ist berechtigt — und die Antwort ist selten nur schwarz‑weiß. Aus meinen Recherchen und eigenen Begleitungen in der Reha weiß ich: es kommt auf den Zeitpunkt, das Ziel und die individuelle Reaktion des Körpers an. In diesem Beitrag erkläre ich, wann welches Mittel sinnvoll ist, wie Sie sicher anwenden und welche Mythen Sie vergessen können.
Warum Kälte und Wärme unterschiedliche Effekte haben
Kälte (Kryotherapie) und Wärme wirken auf unterschiedliche Weise:
Kälte: reduziert Blutfluss, dämpft Entzündung und Schwellung und wirkt schmerzlindernd durch eine Verringerung der Nervenleitung.Wärme: erhöht die Durchblutung, fördert Muskelentspannung, verbessert die Beweglichkeit und kann chronische Schmerzen lindern, die von verspannter Muskulatur kommen.Wichtig ist: Nach einer OP steht meist die Eindämmung von Schwellung und Entzündung im Vordergrund — hier hat Kälte zunächst die Nase vorn. Später, wenn Steifigkeit und verspannte Muskulatur dominieren, kann Wärme helfen.
Erste Tage nach der Operation: Kälte als Standard
In den ersten 48–72 Stunden nach einem Gelenkersatz ist Kälte meist die richtige Wahl. Ich habe eine Angehörige durch Hüft-OP und Reha begleitet: Direkt nach dem Eingriff half regelmäßiges Kühlen, die Schmerzen ohne übermäßigen Medikamenteneinsatz zu reduzieren und die Schwellung in Grenzen zu halten.
Warum? Kälte verengt die Gefäße (Vasokonstriktion), wodurch Blutung und Ödembildung zurückgehen.Praktische Anwendung: Kältepackungen 15–20 Minuten pro Anwendung, mehrmals täglich, mit einer dünnen Stofflage zwischen Haut und Packung, um Erfrierungen zu vermeiden.Geräte: Medizinische Kühlsysteme (z. B. Game Ready, Cryo/Cuff) bieten kontrollierte Kühlung und Kompression. Für Zuhause tut es oft auch ein Gelkühlpad (z. B. von TheraPearl) oder klassische Kühlakkus.Worauf bei der Anwendung von Kälte achten?
Keine direkte Kälte auf frisch geöffneten Operationswunden — nur über trockene, saubere Verbandsschichten, wenn dies vom Operateur erlaubt ist.Bei Durchblutungsstörungen, Raynaud‑Syndrom oder sensiblen Nervenschäden ist Kälte nicht immer geeignet — Rücksprache mit Ärztin/Arzt erforderlich.Kontrollieren Sie die Haut regelmäßig auf Blässe, Schmerz oder Taubheitsgefühl. Bei Auftreten von solchen Zeichen Kälte sofort absetzen.Übergangsphase: Kombination und Kontrasttherapie
Nach den ersten Tagen sehe ich in der Praxis häufig eine Mischform: Kälte nach stärkeren Belastungen (z. B. nach längeren Gehversuchen oder Physiotherapie), Wärme vor einer Übungseinheit, um die Muskulatur zu lockern.
Kontrasttherapie (abwechselnd warm und kalt) kann die Durchblutung anregen und das Empfinden von Steifigkeit reduzieren.Praktischer Ablauf: 3–4 Minuten Wärme, 30–60 Sekunden Kälte, insgesamt 3–5 Zyklen. Nicht unmittelbar nach der Operation ohne ärztliche Freigabe durchführen.Ab der Reha‑Phase: Wann Wärme sinnvoll ist
Spätere Reha‑Phasen konzentrieren sich oft auf Beweglichkeit und Muskelaufbau. Hier ist Wärme oft hilfreicher:
Wärmen vor Übungen erhöht die Dehnbarkeit der Muskulatur und reduziert das Spürbarwerden von Steifigkeit.Wärmeanwendungen: Wärmflasche, Kirschkernkissen, elektrische Wärmedecken oder Infrarotlampe (zum Beispiel Beurer HE 50) – jeweils 15–20 Minuten vor der Übung.Vorsicht bei entzündlichen Schüben: Nicht bei deutlich sichtbarer, heißer Entzündung oder frischer Schwellung anwenden.Praktische Tipps: Intensität, Dauer, Häufigkeit
Kälte: 10–20 Minuten, max. 4–6 Mal täglich. Pausen zwischen den Anwendungen einhalten.Wärme: 15–30 Minuten vor Aktivität. Nicht länger auf gereizte, frische Narben auflegen.Temperaturen: Kältepackungen bei ca. 0–5 °C; Wärmequellen bei etwa 40–45 °C an der Hautoberfläche (bei elektrischen Geräten auf Herstellerangaben achten).Spezielle Situationen: Wunden, Infektionen, Thrombose‑Verdacht
Bei folgenden Hinweisen kontaktieren Sie umgehend Ihre Ärztin oder Ihren Arzt:
Rötung, zunehmende Schwellung, Fieber oder eitriger Ausfluss (Hinweise auf Infektion).Plötzliche, starke Wadenschmerzen, Schwellung oder Atemnot (Thrombose/Embolie‑Verdacht).Offene oder noch nicht verschlossene Wunden: Wärme/Kälte nur nach Anweisung — häufig nur äußere, sterile Kaltkompressen erlaubt.Alltagstaugliche Hilfsmittel und Marken, die ich empfehle
Aus eigener Erfahrung und Rückmeldungen aus der Reha können folgende Produkte nützlich sein:
Gelkühlpads (wiederverwendbar) — einfach und mobil (z. B. TheraPearl, Arctic Flex).Medizinische Kühl‑Kompressionssysteme — teurer, aber sehr effektiv nach großen Gelenkoperationen (z. B. Game Ready).Wärmekissen mit Kirschkernen oder Mikrowellen‑Pads (z. B. Sissel, Beurer) für sanfte Wärme vor Übungen.Wichtig: Achten Sie auf gute Passform — besonders bei Knie- oder Hüftprothesen ist ein eng anschließendes Pad sinnvoll, damit die Wärme/Kälte dort ankommt, wo sie gebraucht wird.
Tipps zur Kombination mit Schmerzmedikation und Physiotherapie
Kälte und Wärme ersetzen keine Medikamente oder Physiotherapie, können diese aber gut ergänzen:
Kälte kann die Wirkung von Schmerzmitteln unterstützen, sodass weniger Medikamente nötig sind.Wärme vor der Physiotherapie kann die Mobilität verbessern und schmerzfreie Übungsdurchführung erleichtern.Planen Sie Anwendungen in Absprache mit Ihrer Physiotherapeutin bzw. Ihrem Physiotherapeuten — oft ist Timing entscheidend, z. B. 20 Minuten Wärme vor Dehnübungen.Häufige Fragen von Betroffenen
Darf ich dauerhaft Wärme anwenden, wenn ich eine Prothese habe? Ja, eine feste Prothese ist kein Grund, Wärme zu vermeiden. Vermeiden Sie aber extreme Temperaturen und direkte Wärme auf frische Wunden.Kann Kälte eine Prothese schädigen? Nein, die Prothese selbst wird durch Kälte nicht geschädigt. Problematisch wäre allerdings zu intensive Kälteeinwirkung auf Haut und Weichteile.Wie merke ich, ob etwas falsch läuft? Zunehmende Schmerzen trotz Ruhe und Kühlung, Fieber oder veränderte Rötung — dann Arztkontakt suchen.Persönlicher Tipp
Als Begleiterin eines Betroffenen habe ich gelernt: Vertrauen Sie auf die Signale Ihres Körpers. Wenn eine Anwendung schmerzhafter wird oder sich die Haut verändert, hören Sie auf und fragen nach. Kleine Hilfsmittel wie ein wiederverwendbares Gelkissen oder ein Kirschkernkissen im Schrank haben sich für uns als sehr praktisch erwiesen — sie sind schnell einsetzbar und geben ein gutes Gefühl von Kontrolle über den Schmerz.
| Anwendung | Ziel | Typische Dauer |
|---|
| Kälte | Schmerzreduktion, Schwellungshemmung | 10–20 Min., 3–6×/Tag |
| Wärme | Muskelentspannung, Beweglichkeitsverbesserung | 15–30 Min. vor Übung |
| Kontrast | Durchblutungsförderung, Abschwellung | 3–5 Zyklen, 5–10 Min. gesamt |